Pythagoreische Zahlentripel (SUNI, August 2020)

3 Ausblick

Zum Schluss noch ein paar Bemerkungen als Ausblick auf verwandte Themen.

3.1 Summen von dritten Potenzen

Wir haben die Frage angesprochen, welche Zahlen sich als Summen von zwei positiven Quadratzahlen schreiben lassen. Eine ähnliche, aber noch offene Frage ist, welche ganzen Zahlen sich als die Summe von drei dritten Potenzen schreiben lassen, also in der Form $x^3 + y^3 + z^3$ für ganze Zahlen $x$, $y$, $z$. Diese Fragesetllung ist einerseits sehr ähnlich, andererseits aber auch insofern unterschiedlich, als die dritte Potenz einer negativen Zahl wieder negativ ist und wir hier für $x$, $y$, $z$ auch negative (ganze) Zahlen zulassen. Daher können $x$, $y$ und $z$ Zahlen sein, die (betragsmäßig, also unter Vernachlässsigung des Vorzeichens) sehr groß sind, aber so dass der Ausdruck $x^3 + y^3 + z^3$ im Endergebnis keine sehr große Zahl ist.

Das bedeutet auch, dass es nicht ausreicht, eine endliche Anzahl von Möglichkeiten durchzuprobieren, um mit Sicherheit auszuschließen, dass eine gegebene Zahl eine Summe von drei dritten Potenzen ist.

Beispielsweise wurde erst im Jahr 2019 (von Andrew Booker mit erheblichem Computereinsatz) eine Möglichkeit gefunden, $33$ als Summe von drei dritten Potenzen zu schreiben, und zwar

\[ 33 = 8\, 866\, 128\, 975\, 287\, 528^3 + (-8\, 778\, 405\, 442\, 862\, 239)^3 + (-2\, 736\, 111\, 468\, 807\, 040)^3. \]

Siehe Wikipedia.

Bei anderen relativ kleinen Zahlen ist es nach wie vor nicht bekannt, ob es so eine Darstellung gibt. Die offenen Fälle von Zahlen unter $1\, 000$ sind $114$, $390$, $579$, $627$, $633$, $732$, $921$ und $975$.

Die folgende Aufgabe gibt eine Klasse von Zahlen an, für die es eine solche Darstellung nicht geben kann.

Aufgabe 3.1

Sei $n$ eine natürliche Zahl, die bei Division Rest $4$ oder $5$ hat (zum Beispiel $13$ oder $32$). Zeigen Sie, dass $n$ sich nicht als Summe von drei dritten Potenzen darstellen lässt.

Es wird vermutet, dass sich alle anderen ganzen Zahlen als Summe von $3$ dritten Potenzen schreiben lassen.

3.2 Kongruente Zahlen

Eine weitere, ähnliche Fragestellung, die in Verbindung steht zur Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer, einer tiefliegenden Vermutung der Zahlentheorie, ist die Bestimmung der kongruenten Zahlen. Eine kongruente Zahl ist eine natürliche Zahl, die der Flächeninhalt eines rechtwinkligen Dreiecks mit rationalen Seitenlängen ist.

Mit anderen Worten: Eine natürliche Zahl $n$ heißt kongruente Zahl, wenn es rationale Zahlen $a$, $b$, $c$ mit $a^2 + b^2 = c^2$ und $n = ab/2$ gibt. Zum Beispiel ist $5$ eine kongruente Zahl (man kann $a = 20/3$, $b=3/2$, $c=41/6$ nehmen), $4$ aber nicht. Hier gibt es wieder das Problem, dass es nicht ausreicht, endlich viele Möglichkeiten durchzuprobieren, um auszuschließen, dass eine gegebene Zahl kongruent ist. (Schlagen Sie zur Illustration in der englischen Wikipedia-Seite die Darstellung von 157 nach!)

3.3 Haben diese Ergebnisse auch Anwendungen?

Die Antwort auf diese Frage ist zwar nicht einfach Nein (siehe unten), allerdings zählt wohl für die meisten Mathematiker*innen, die sich mit solchen Problemen wie den oben genannten beschäftigen, mehr der Spaß am Knobeln und Tüfteln an schwierigen Problemen, mit denen sich teilweise schon seit Tausenden von Jahren Forscher*innen befasst haben.

Auch im Studium sind die Anwendungen oft höchstens im Hintergrund zu sehen, und sind in den meisten Vorlesungen nicht der Kern der Beschäftigung. Je nach Spezialisierung ist es dann gegen Ende des Bachelor-Studiums und im Master-Studium etwas anders: Beispielsweise in der Algebra spielen Anwendungen kaum eine Rolle. In der Numerik und Optimierung gibt es auch viele Fragestellungen, die einen direkten Anwendungsbezug haben. Grundsätzlich ist aber – im Gegensatz etwa zu einem Ingenieursstudiengang – in der Mathematik das systematische, strukturelle Verständnis eines Problems wichtiger als die konkrete Anwendung(smöglichkeit).

Dennoch sind Sie als Mathematiker*in hervorragend für den Arbeitsmarkt ausgebildet. Die Berufschancen für Mathematiker*innen sind seit Jahrzehnten durchgängig, und auch aktuell, sehr gut. Die Fertigkeiten, die für das Bearbeiten abstrakter mathematischer Probleme erforderlich sind und im Studium vermittelt und geübt werden, sind nämlich auch im Berufsleben wichtig und gesucht: Komplexe Probleme strukturieren und verstehen, und darüber mit anderen kommunizieren; Durchhaltevermögen; extrem präzise Darstellung von Sachverhalten; …

Ein Blick in die Geschichte der Mathematik zeigt, dass (fast) alle mathematischen Theorien irgendwann auch für Anwendungen außerhalb der Mathematik ausgenutzt werden, sei es in anderen (Natur-)Wissenschaften, sei es für “ganz konkrete” Anwendungen im Alltagsleben.

Die direktesten Anwendungen für zahlentheoretische Ergebnisse finden sich wohl in der Kryptographie (hier geht es um Methoden, um Nachrichten sicher zu verschlüsseln; siehe zum Beispiel  [ KP ] ) und in der Kodierungstheorie. Die Kodierungstheorie ist die Theorie von “Codes”, die dazu dienen, Nachrichten so zu übertragen, dass Übertragungsfehler erkannt und bestenfalls automatisch korrigiert werden können. Zum Beispiel werden die Informationen auf einer CD mit einer gewissen Redundanz abgespeichert, damit auch bei einem Lesefehler (zum Beispiel einem Kratzer auf der CD) alle Informationen noch rekonstruiert werden können. In der Kodierungstheorie werden Verfahren entwickelt, wie das möglichst effizient gemacht werden kann, also ohne das Datenvolumen unnötig zu erhöhen.

KP

S. Kak, M. Prabhu, Cryptographic applications of primitive Pythagorean triples, Cryptologia 38 (2014), 215–222.

TB

R. Takloo-Bighash, A Pythagorean Introduction to Number Theory, Springer Undergraduate Texts in Math. 2018.

WP

Wikipedia, Pythagoreisches Tripel, https://de.wikipedia.org/wiki/Pythagoreisches_Tripel